Evoland – Gute Ideen machen kein gutes Spiel
Dass ich ein Freund von Indiegames — Spielen von unabhängigen Entwicklern — bin, ist kein Geheimnis. Ich bin immer mal wieder überrascht, was für interessante Ideen diese Leute in Spielen umsetzen. Da sei beispielsweise DLC Quest genannt, welches sich u.a. über die DLC-Politik lustig macht, das im eigenen DLC Live Freemium or Die auf die Spitze treibt und damit unfassbar gut unterhält. Ein vergleichbares Spiel ist Evoland von Shiro Games. Nur dass hier nicht die Intention ist, sich über etwas lustig zu machen, sondern die Evolution aufzuzeigen, die Spiele wie Final Fantasy oder The Legend of Zelda durchgemacht haben.
Evoland startet ähnlich wie DLC Quest: Der Hauptcharakter hat nur begrenzte Möglichkeiten der Bewegung und die Welt darf komplett ohne Sounds auskommen. Zusätzlich sieht Evoland auch noch aus wie ein GameBoy-Spiel. Nach und nach aber findet man Kisten, deren Inhalte die Welt erweitern, verschönern und füllen. Die Entwickler des Spiels haben verstanden, das interessant zu gestalten und arbeiten vor allem grafisch diverse Entwicklungsschritte ab. So wird aus der tristen GameBoy-Grafik im Laufe der Zeit eine 3D-Grafik mit vorgerenderten Hintergründen, wie es der geneigte (J)RPG-Spieler zum Beispiel von Final Fantasy VII kennt. Diese ganze Evolution-Geschichte ist auch das, was den Titel für mich richtig interessant gemacht hat. Vermutlich sehr aus Nostalgie, weil ich so ziemlich jeden Schritt in meiner „Gamer-Karriere“ selbst erlebt habe — wenn auch nicht immer chronologisch.
Wie schon erwähnt versteht es Evoland anfangs, die Idee gut umzusetzen und bietet dem Spieler kontinuierlich Neuerungen in der Spielwelt, die dafür sorgen, dass man weiterspielen will, um zu sehen, was als nächstes kommt. Leider beschränkt sich das wirklich sehr aufs Technische. Spielerisch werden einfach The Legend of Zelda und Final Fantasy kombiniert. In den begehbaren Gebieten killt man Monster in Action-Adventure-Manier mit Schwert, Bomben oder Bogen und zerteilt Büsche (ohne Rubine zu finden!) und auf der Weltkarte geht es in Zufallskämpfen (mit sehr wenigen Kommandos) rundenbasiert zur Sache. Beides völlig ohne Tiefgang und ohne Kreativität. Ist ungefähr so interessant, wie einem Baumstumpf beim Verrotten zuzusehen. Das finde ich ziemlich schade, da man doch gerade in dem Bereich hätte viel machen können, denn auch dort hat sich bei den zwei großen Inspirationen Etliches getan. Zwar wird in einem Gebiet das System von Spielen wie Diablo oder Torchlight auf die Schippe genommen, das hat aber weniger mit dem Kampf- als mehr mit dem Lootsystem zu tun. Ist aber dennoch eine willkommene Abwechslung.
Äußerst schade ist allerdings, dass das Spiel die Kontinuität der Neuerungen nur für sehr kurze Zeit beibehält — für etwa die ersten 25% des Spiels. Das entspricht einer von insgesamt vier Spielstunden in meinem Fall. Danach flaut das Tempo so stark ab, dass es eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist und Evoland wird zu Genericland. War vorher die Evolution wichtig, versuchen die Entwickler den Spieler danach mit einer dümmlichen Story bei Laune zu halten, die nicht nur sehr stark an Teile von Final Fantasy VII angelehnt sondern beinahe schon übernommen wurde. Gemixt wird das mit Stücken, die aus der Tales-of-Serie, der Breath-of-Fire-Serie oder den Mana-Spielen stammen können. So verliert das Spiel völlig seinen Charme.
Ich musste mich, nachdem ich die erste Stunde wirklich sehr genossen habe, fast schon zum Durchspielen zwingen und habe dabei immer auf Besserung gehofft. Die kam leider nie. Hier und da ein paar lustige Dialoge, die ein wenig erheiternd wirken, aber ein Sid, hinter dessen Haus ein Luftschiff schwebt, das der Highwind aus Final Fantasy VII ähnelt, und ein abgespecktes Triple Triad aus Final Fantasy VIII, das sich hier Doppelzwilling nennt, wirken nicht amüsant, sondern billig kopiert. Dazu lassen Charaktere, die Kaeris, Clink oder Zephyros heißen, nicht darauf schließen, dass in Evoland irgendwas Spannendes in Sachen Story zu erwarten wäre.
Es ist einfach so schade. Das Game beginnt als nostalgische Reise und endet als mieses Mashup von Bruchstücken anderer Spiele. Dabei wollen die Entwickler mit Letzterem so zwanghaft lustig sein, dass einfach auffällt, dass ihnen entweder die Ideen ausgingen oder sie ihr Spiel so schnell wie möglich veröffentlichen wollten. Hätten sie die Idee der Evolution komplett durchgezogen und beispielsweise das Kampfsystem darin miteinbezogen, Evoland wäre für mich wohl ein Spiel, was ich jedem RPG-Spieler ans Herz legen würde. Die bekannten RPGs bieten so viele Vorlagen, um auch diese Punkte interessant zu gestalten, stattdessen führt man ein System ein und behält es bis zum Schluss bei. Das passt einfach nicht. Und so ist Evoland insgesamt kein gutes Spiel, keine gute Erfahrung. Es ist lediglich eine gute Idee, die durch die Länge des Spiels kaputt gemacht wurde.
Technisch ist Evoland übrigens sauber. Obwohl es eine Flashanwedung ist, merkt man es dem Spiel — anders als The Binding of Isaac — nicht an. Auch die deutsche Übersetzung ist sehr gelungen. Einen bitteren Nachgeschmack hat lediglich die fehlende Controllerunterstützung hinterlassen, die aber mittlerweile vom Entwickler implementiert wurde. Das aber rechtfertigt für mich definitiv keinen Preis von 9,99 €. Auch nicht den von 8,99 €, den ich bezahlt habe, denn gute Ideen machen kein gutes Spiel — es ist die Umsetzung dieser Ideen, die aus einem Spiel das macht, was es ist.