Das Märchen von der Objektivität
Jeder Gamer kennt sie: Reviews. Berichte über Games, die von Deutschen auch gerne Spieletests genannt werden. Reviews gibt es schon fast so lange wie das Medium Videospiele selbst. Heutzutage gibt es mehr davon, als je zuvor. Internet sei Dank, kann jeder seine Meinung veröffentlichen. Das ist auch alles kein Problem. Das Problem, welches mir immer wieder auffällt, ist, dass es immer noch Schreiberlinge und Leser gibt, die denken, Reviews seien völlig objektive Artikel.
Klären wir einmal die Begriffe Review und Spieletest, die meines Erachtens zwei unterschiedliche Dinge sind, auch wenn letzteres als Synonym für ersteres gebraucht wird.
Mein Hirn sagt mir, ein Review ist ein Erfahrungsbericht, ein Test hingegen ein anhand anerkannter Standards bewertender Artikel. Während ein Review also mit subjektiver Meinung nur so um sich schmeißen darf und auch soll, sollte ein Test eben anhand bestimmter Kriterien das Produkt auseinander nehmen und letztlich entscheiden, ob das Produkt gemessen an eben diesen Kriterien besser oder schlechter ist. Wie aber soll so ein Test bei einem Unterhaltungsmedium zustande kommen?
Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht. Es ist de facto nicht möglich, ein Spiel gänzlich ohne Meinung zu bewerten. Zum einen eben, weil Videospiele der Unterhaltung dienen und jedes Spiel anders aufgebaut ist (nehmen wir jegliche Abklatsche mal aus, um das Thema einfach zu halten) und jeder Spieler die vorhandene Unterhaltung anders empfindet. Zum anderen gibt es auch keine in der Branche etablierten Kriterien, die allgemein anerkannt sind. Wie sollte es diese auch geben? Wie schon erwähnt, empfindet jeder ein Unterhaltungsmedium anders. Soll nun die Grafik von Mario Kart Wii mit der eines God of War 3 verglichen werden? Das geht nicht. Nicht nur, weil beide Spiele auf unterschiedlichen Systemen erschienen sind, sondern weil beide gänzlich andere Prioritäten setzen. Während Mario Kart ein Fun-Racer ist, den man im Idealfall im Multiplayer mit seinen Freunden spielt, setzt God of War auf ganz andere Punkte wie beispielsweise Story. Welches von beiden macht nun objektiv bewertet mehr Spaß?
Niemand kann diese Frage beantworten, da Geschmäcker verschieden sind und demnach nicht jeder auf blutige Kämpfe mit Kratos oder auf Ballonbalgerei mit Mario steht.
Wie also kommt es, dass viele denken, Reviews könnten objektiv sein? Das liegt zum Großteil an eben den vergebenen Wertungen. Seien es nun Wertungen auf Skalen von 1 bis 100, 1 bis 10 oder 1 bis 5. Alle diese Zahlen schaukeln dem Leser vor, man hätte Vorzeigetitel, die im Sachen Spielspaß den Highscore knacken konnten. Das würde heißen, das ,,getestete“ Spiel erfüllt alle Ansprüche in vollem Umfang. Und da es ja objektiv sein soll, müsste es so wirklich jedem Spaß machen. War da nicht gerade schon mal was mit ,,verschiedene Geschmäcker“?
Zusammen mit der abschließenden Wertung findet man auch oftmals einen Kasten mit Pro und Contra. Hier wird erst recht klar, dass Objektivität wirklich das Märchen ist, an das viele glauben wollen. In die Wertung einfließende Punkte wie ,,schwammige Steuerung“ oder ,,trashige Story“ sind eben subjektiv. Für den einen kann das ein absolut großes Manko sein, andere empfinden die Punkte ganz anders. Das ist auch gut so. Ich wiederhole es gerne: Unterhaltungsmedium!
Die angebliche Objektivität der Wertungen wird auch durch Sites wie Metacritic untermauert. Diese Seiten sammeln die Bewertungen und errechnen daraus den Mittelwert. Das Problem dabei ist allerdings, wenn Autor A dem Titel eine 9 gegeben hat, Autor B aber nur eine 3, treffen wir uns in der Mitte, also bei 6. Was sagt uns das nun? Aussagekräftig ist anders. Sicher, man kann eine Tendenz erkennen, aber will man sich wirklich auf so etwas verlassen?
Ich will nicht die Diskussion um die Abschaffung der Wertungen wieder aufflammen lassen, weil diese eh niemals verschwinden werden, da Marketing-Abteilungen darauf fixiert sind. Aber der gemeine Konsument solcher Artikel sollte doch einsehen, dass diese Wertung nichts Objektives widerspiegeln, sondern die subjektive Meinung des Autors in Zahlenform ist.
Ich will auch nicht, dass Reviews mit Wertungen aus der Branche verschwinden — schön wäre es zwar, aber für einen schnellen Überblick sind die allemal geeignet — ganz im Gegenteil, ich fordere mehr Reviews und keine Spieletest. Ich fordere Erfahrungsberichte, die auf der ehrlichen Meinung des Autors basieren. Die mir nicht irgendwelche Fakten um die Ohren hauen, sondern mir z.B. eine Idee geben, wie es sich anfühlt, selbst vor dem Game zu sitzen. Wenn ich dann den Geschmack der Autoren annähernd kenne, dann kann ich auch was mit dem Artikel und der Wertung anfangen und leichter entscheiden, ob entsprechendes Spiel auch etwas für mich ist.
31. Mai 2010 um 10:23
Als ich das am Sonntag gelesen habe wollte ich einen echt tollen Kommentar schreiben, musste aber weg, weshalb ich die Seite extra im Browser als Tab gespeichert habe, damit ich das erledige, wenn ich wieder am heimischen Rechner sitze.
Hat aber nichts gebracht, hab alles vergessen 8(
Dennoch schöner Artikel.
Wie sagt man so schön? http://img.skitch.com/20090310-fue4arsbcqnqj5q9327sc2gd46.jpg
greez Web
.-= Webs last blog: Eurovision Songcontest =-.
31. Mai 2010 um 12:48
Was du heute kannst besorgen… ;)
Aber mach dir nix draus, Artikel, die ich selbst halbwegs interessant finde, kriegen nie die Aufmerksamkeit, die sie verdienen ;(
Freut mich aber, wenn er dir gefällt.
31. Mai 2010 um 17:52
Ganz deiner Meinung. Allerdings nicht nur bei Spielen, sondern auch bei Filmen und Musik. Da les ich mir lieber die subjektive Einschätzung von unabhängigen Bloggern als die an ein Wertungssystem gebundene eines Redakteurs durch.
.-= Christians last blog: E3 2010: Erwartungen und Vermutungen =-.
31. Mai 2010 um 20:38
Einfach das entsprechende Medium im Text ersetzen und die Beispiele anpassen, schon dürfte es mit jedem Medium funktionieren ;)
Hab mich nur ausschließlich auf Games bezogen, weil ich bei Filmen, Serien, Musik, etc. absolut gar nichts lese. Keine Kritiken, kein gar nichts.
04. Juni 2010 um 12:04
Da ich GamePro Leser der allerersten Ausgabe bin, schätze ich manchmal eine vernünftige Berichterstattung. Un da ich mir anhand gut produzierter Testvideos auch ein eigenes Bild machen kann ist die Punktzahl am Ende eigentlich irrelevant.
Und vernünftig denkende Menschen machen sich ja IMHO immer zuerst ein eigenes Bild, bevor sie einen Hype mitanfachen, nur aufgrund einer hohen Punktebewertung irgendwo auf einer libanesischen Website, die eine frühe raubkopierte geleakte Alpha-Version eventuell angespielt haben könnten! (die libanesische Website ist eine Metapher, ich habe nix gegen den Libanon)
04. Juni 2010 um 16:08
Die Reviewvideos sind in der Tat ein Trend, der gut ist. So sieht man dann bei vernünftigen Video-Reviews dann auch, was die Leute speziell stört und muss das nicht nur anhand von Text oder mickrigen Screenshots irgendwie versuchen nachvollziehen.
27. April 2011 um 00:14
Was ganz lustig ist: Nicht nur die Wertungen an sich, sondern auch diese Wertungskästen und was man da manchmal mit reinnimmt. Gerade über einen Test bei 4Players gestolpert:
http://www.4players.de/4players.php/dispbericht_fazit/PC-CDROM/Test/Fazit_Wertung/PC-CDROM/24188/71078/Cities_in_Motion.html
Pro:
„Beschränkung auf Nahverkehr macht Sinn…“
Kontra:
„..obwohl Fernverkehr wünschenswert wäre“
Also entweder ist es gut, dass man nur Nahverkehr mit reingenommen hat, oder es ist schlecht. Bei denen geht scheinbar beides. Da fragt man sich manchmal, was die genommen haben. Auch lustige Sachen wie „Schwierigkeit einstellbar“ bzw. „hardwarehungrig“ bei den Pros bzw. Kontras. Ersteres ist doch schon Standard und sollte bei den meisten Spielen vorhanden sein und nicht mehr positiv hervorgehoben werden(eher vielleicht das Fehlen einer solchen Einstellmöglichkeit als Negativpunkt). Letzteres hat doch eher mit dem Gameplay und Spielspass an sich weniger zu tun. Ein Ferrari ist ja auch nicht schlechter, weil er zu teuer ist. Entweder man erfüllt die Vorraussetzungen – dann interessiert einem das nicht mehr weiter. Oder man erfüllt sie nicht, dann liest man den Test gar nicht erst. Und über die Vorraussetzungen informiert man sich ja wohl an Hand der Webseite oder Verpackung. Ein „hardwarehungrig“ hilft einem da wenig.
27. April 2011 um 00:15
Okay. Schon länger her, dass ich den Artikel gelesen hatte. Hätte vielleicht vorher noch mal kurz drüberlesen sollen. Du hast ja auch das mit den Pro und Kontra-Kästen noch mal gesondert dort schon erwähnt. Na ja. Habe ich halt noch ein lustige zusätzliches Beispiel geliefert.